Erwin Müller

Das in der Regionalgalerie Liberec und in einigen Privatsammlungen in Böhmen erhaltene, höchst individuelle Schaffen des Deutschböhmen Erwin Müller entstand in den 1920er und 1930er Jahren. Ein großer Teil der Werke konnte in der bewegten Zeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs vor allem dank der Freundschaft zwischen dem Maler und dem Tschechen Jaro Beran, dem ersten Direktor der Galerie in Liberec, vor der Vernichtung gerettet werden.

Der Reichenberger Erwin Müller war von der zeitgenössischen Entwicklung auf dem Feld der realistischen Malerei, vor allem von der Neuen Sachlichkeit, beeinflusst. Seine Gemälde, Zeichnungen und Grafiken mit figürlichen und landschaftlichen Motiven situierte er in die unmittelbare Nähe der Stadt Reichenberg. Das städtische und das ländliche Leben im Grenzbereich von sozialem Zivilismus und Ruralismus hielt er mit Humor und der ihm eigenen Distanziertheit fest.

Aufgrund der Recherchen zum Projekt Junge Löwen im Käfig lässt sich heute mit Sicherheit feststellen, dass Müllers Werk von überdurchschnittlicher Qualität war und den Vergleich mit dem Schaffen der bedeutendsten Einzelkünstler anderer Regionen wie z. B. Paul Gebauer aus Zossen oder Karl May aus Reinowitz nicht zu scheuen braucht. Die Bearbeitung und Bewertung der außergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeit Erwin Müller kann dabei helfen, die Entwicklung der deutschböhmischen bildenden Kunst zu verstehen, deren wesentliche Prinzipien zu benennen und die Reichenberger Kunstszene der Zwischenkriegszeit in den Kontext der mitteleuropäischen Malerei des Untersuchungszeitraums einzuordnen.